Vor einigen Tagen hat ja Papst Franziskus über Katecheten geredet, und dabei folgendes gesagt:
Gott ist nicht rigide, nicht streng! Er nimmt uns an, er kommt uns entgegen, er versteht uns.
Er hat noch deutlich mehr gesagt, Katecheten gemahnt, keine Angst zu haben, kreativ zu sein etc - aber ich bin über diesen Satz gestolpert, vielleicht, weil Sätze wie dieser es sind, die bei mir auf vollkommenes Unverständnis treffen.
Warum? Nun, sie sind für mich oft assoziiert mit einem Predigtschema, daß man wie folgt umschreiben kann:
"Gott Mensch geworden, damit er so schlicht und einfach wie ein Mensch sein kann... Christus, der "Gott mit uns" habe ja gezeigt, daß die alte Strenge Gottes ein Ding der Vergangenheit ist - ach was! Auch schon im Alten Bund hieß Gott ja bekanntlich "Ich bin da" und war ein Kuschelgott... Take home message: Gott liebt dich so, wie du bist!"
Ja, ist etwas polemisch umschrieben. Ich mag diese Art der Darstellung Gottes nicht, weil sie unvollständig ist. Dazu eine Anektdote: Als ich zur Zeit meiner Bekehrung das Evangelium las fand ich Jesus, den "Gott mit uns", der ja, so sagen die Leute, für uns alle da ist etc.
ungeheuer streng! Ich mein, da redet Jesus davon, wer seiner nicht würdig ist, für wen er sich vor dem Vater im Himmel schämen wird, wen er verleugnen wird - meine Güte, das ist extremst harter Tobak! Jesus
ist streng! Unglaublich streng! Sicherlich, Jesus hat Erbarmen mit unserer menschlichen Natur, wie er nicht zuletzt an Petrus zeigt, der reuige Sünder ist ihm unglaublich wichtig, aber das ändert nichts daran, daß Jesus zum Teil erschreckend harte Worte findet, Worte, die jetzt, fast zweitausend Jahre später, noch deutlich mehr widerhallen als das letzte offizielle Schreiben mancher Bischöfe über "Verheutigung des Glaubens" oder eben jenen "Ich bin da".
Warum ist das so? Würden Gottes Worte wirklich über die Jahrtausende Bestand haben, wenn sie einfach kumpelhaft wären, wenn sie sich im "Ich bin da, ich mag Dich" erschöpfen würden? Ich denke nicht - und hier kann man vielleicht ein Bild, was im zweiten Vatikanum gebraucht wird, bemühen: Wir sind auf einem Weg, nicht einfach in das gelobte Land, nicht einfach in einen Zustand der Freundschaft mit dem Herrn, wir sollen "vollkommen sein, wie der Vater im Himmel vollkommen ist". Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch Gott ähnlich wird.
Das ist der unglaubliche der große Kern des Christentums, nicht, daß Gott einfach ein toller Kumpel ist, der uns so mag, wie wir sind. Er hat einen großen Plan mit uns - und das verlangt unser Mitwirken.
Gott ist nicht sinnlos streng. Er ist kein Drill Sergeant, der das Bett, was man gerade ne halbe Stunde mit dem Lineal ordentlich gemacht hat, unter großen Gepolter wieder umreißt. Er ist aber, das Ziel - und die Gefahren auf dem Weg dorthin! - im Auge habend, durchaus streng, vielleicht sogar manchmal so streng, daß wir auf dem ersten Blick nicht sehen, wieso seine Aussprüche derart krass sind.
Hier vielleicht noch zu den Katecheten: Es wird, auch vom Heiligen Vater, oft betont, daß Katechese nicht streng sein darf. Ich las vor kurzem auf
the American Conservative folgendes:
The apostles on Pentecost did not rush into the marketplace to explain the indissolubility of sacramental marriage. They proclaimed the resurrection, and that is the key event which ought to motivate each of us.
Unter anderem hier kann ich nicht wirklich zustimmen. Sicher, man fängt nicht mit doktrinellen Fragen an, aber wenn wir uns die Predigten der Apostel ansehen, wenn wir betrachten, was die ersten Worte im ersten Paulus-Brief sind, dann wird oft nicht mit "heieiei, Jesus hat uns alle lieb, weshalb der Gott ihm Leben gibt" oder so angefangen.
Betrachten wir doch mal ein paar der ersten Worte unserer Urväter im Glauben:
Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Morgen
(Sorry, den konnte ich mir grad nicht verkneifen)
Petrus fängt in der ersten Pfingstpredigt damit an, sich auf den Propheten Joel zu berufen, der über die Sendung des Geistes in der Endzeit berichtet. Das Buch Joel ist kein Kuschelbuch, es rüttelt auf. Das ist der Beginn der Predigt Petri. Und dann versetzt er erstmal der zuhörenden Welt einen Stich:
Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst, ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht.
Die Spitze, "den ihr gekreuzigt habt", die Spitze nutzt er am Ende noch einmal. Ist das nicht himmelweit von den Kuschelpredigten, die unter "Frohbotschaft statt Drohbotschaft" subsumiert werden, entfernt? Auf dem Tempelplatz ist das auch wieder ein Aufhänger:
Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr verraten und vor Pilatus verleugnet habt, obwohl dieser entschieden hatte, ihn freizulassen. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und die Freilassung eines Mörders gefordert. Den Urheber des Lebens habt ihr getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dafür sind wir Zeugen.
Handelt Petrus hier pastoral intelligent? Sollte man mal in einer Bischofssynode diskutieren. Vielleicht kann man dem ersten Papst noch Nachhilfe geben.
Stephanus, wäre er nicht in unserer modernen Zeit letztlich selbst für sein Martyrium verantwortlich?
Ihr Halsstarrigen, ihr, die ihr euch mit Herz und Ohr immerzu dem Heiligen Geist widersetzt, eure Väter schon und nun auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, ihr, die ihr durch die Anordnung von Engeln das Gesetz empfangen, es aber nicht gehalten habt.
Nebenbei gesagt, nicht sonderlich "kreativ", immer wieder in der Wunde, Gott umgebracht zu haben, herumzubohren. Hat aber gewirkt. Frohbotschaft statt Drohbotschaft?
Springen wir mal etwas, zum einen in der Zeit, zum zweiten zu den Heiden:
Während Paulus in Athen auf sie wartete, erfasste ihn heftiger Zorn; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern.
Kein wirklich guter Anfang zum Dialog. Muß man nicht erst lernen, den anderen zu verstehen?
Gott, der über die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen hat, lässt jetzt den Menschen verkünden, dass überall alle umkehren sollen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird, durch einen Mann, den er dazu bestimmt und vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte.
Er ruft, in einer ersten Predigt vor den Heiden, zur
Umkehr auf. Er sagt nicht, daß Gott die Athener schon so gut findet.
Und schließlich, im Römerbrief, eine der ersten Sachen, die Paulus sagt:
Der Zorn Gottes wird vom Himmel herab offenbart wider alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten.
BÄM!
Ich frage mich, wie heute solche Predigten ankommen würden, nicht nur bei Wir sind Kirche, sondern, ja, auch bei unserem Heiligen Vater, bei unseren Bischöfen - bei uns selbst. Ist nicht etwas verloren gegangen? Diese Predigten erzählten ja sicherlich nicht einfach von Strenge, da stimme ich dem Heiligen Vater zu, aber sie haben aufgezeigt, daß es hienieden um nicht weniger als alles geht. Und sie haben eben nicht damit angefangen, erstmal "juche, der Herr ist auferstanden" zu sagen.
Ich denke auch, daß das einen Grund hat: Man muß, bevor man mit der Auferstehung des Herrn ankommt, doch erst einmal ein Gefühl dafür haben, daß es dieser Auferstehung bedurfte.
Sicher, einfach nur einen strengen Regelkatalog runterzubeten ist keine Katechese. Aber ihn weg zu lassen ist es auch nicht.