Ich habe vor nun fast vier Jahren mal über die Grahamsche Zahl geschrieben. In dem Artikel konnte man gut lesen, daß ich ein Faible für große Zahlen hab. Dieses Interesse ist weiterhin geblieben, wenn ich auf Arbeit während eines langweiligen Meetings vor mich hinkrakel, konstruiere ich gerne große Zahlen. Dabei kann man auf die in dem verlinkten Artikel beschriebene Knuthsche Notation zurückgreifen oder auf die Conwaysche Pfeilschreibweise.
Natürlich gibt es hier noch andere Methoden, ich hatte mir bspw eine Erweiterung der Tetration überlegt. Es ist jedenfalls wahnsinnig spannend darüber zu meditieren, wie groß wohl eine Zahl wie
5->5->5->5->5
tatsächlich ist. Dieses Interesse führte mich auf der Suche nach der größten von Menschen ausgedachten Zahl zu dem grandiosen Wiki "googology" und dort wurde ich mit der Zahl Rayos bekannt gemacht. Diese Zahl ist im Verlauf eines Wettbewerbes zweier Wissenschaftler entstanden, wer an der Tafel die größte Zahl (ohne triviale Mittel Marke "Deine Zahl und eins mehr") generieren konnte. Leider ist der gesamte Wettbewerb nicht auffindbar, aber der winning entry ist der folgende:
"the smallest positive integer bigger than any finite positive integer named by an expression in the language of first order set theory with a googol symbols or less."Die größte, bisher von einem Menschen ausgedachte Zahl bedient sich also der Sprachlogik und ist definiert als die kleinste positive ganze Zahl, die nichtin einem Ausdruck der Mengenlehre mithilfe von 10^100 Symbolen oder weniger dargestellt werden kann.
Ich überlasse dem Leser - wie auch mir selbst - das Meditieren darüber. Ich bin hier bei noch nicht an einem Ende angelagt und versuche, diese Definition zu durchdringen.
Ich mag solche Überlegungen! Wie ich in dem Artikel über die Grahamsche Zahl schon schrub, ist das Nachdenken überd ie großen Zahlen stark damit verknüpft, zu sehen, wie weit tatsächlich das Transzendente vom Irdischen ohne Gottes Entgegenkommen von uns entfernt wäre. Man merkt, daß Unendlich ein Konzept ist, daß sich nicht in Zahlen, so groß sie auch sein mögen, darstellen läßt. Ähnlich ist der Allmächtige größer als das, was wir uns vorstellen können. Jedoch gilt hier wie dort: Das Nachdenken in immer größeren Definitionen ist eben nicht nur müßig, sondern zeigt uns auch noch mehr, über was wir als Größe überhaupt sprechen. Wenn schon Rayos Zahl immer noch nicht unendlich ist - wie umfassend wird dieses Konzept dann sein!
Hier gibt es zur Zeit eine interessante mathematisch-philosophische Richtung in der Mathematik, die letztlich eine Folge der säkularen Denkkonzepte der heutigen Zeit ist. Ultrafinitismus geht davon aus, daß es irgendwann ein Ende bei den Zahlen geben wird, daß es eben nicht unendlich weitergeht. Ein Ultrafinitist argumentiert dabei darüber, daß man die Mathematik aus dem Transzendenten herausholen wolle; selbst wenn alle intelligenten Wesen, die jemals im Universum existieren, gemeinsam vom Anbeginn des Universums bis zu seinem Ende immer größere Zahlen generieren, wird das nicht unendlich sein, denn das Universum ist nicht ewig. Laut den Leuten gibt es also eine obere Schranke, was die Zahlen betrifft.
Ich bin ja nur ein mathematischer Laie, mich wundert das jedoch schon. Zum Einen habe ich den Eindruck, als würden Ultrafinitisten nach der Zahl "unendlich" suchen - die gibt es natürlich nicht. Unendlich ist ein Konzept (wie Numberphile schön sagt). Dementsprechend wird "Unendlich" zum Einen nie von den Intelligenten Wesen erreicht. Unendlich ist jedoch keine Zahl, sondern die Idee, daß jede Zahl einen Nachfolger hat. Wenn man es so betrachtet, haben wir "unendlich" schon mit dem Nachfolger der eins (also der zwei) erreicht - denn schon dort nutzen wir aus, daß jede Zahl einen Nachfolger hat. Hier wären wir bei der zweiten Sache, die mich wundert: Wenn dem so wäre, wenn die Peano-Axiome nur eine Näherung darstellen würden - müßte dann ein mathematisches System nicht so aufgebaut sein, daß es nicht am Ende aller Zahlen in einen Widerspruch läuft?
Spielen wir mit dem Gedanken etwas: Sagen wir, es gibt keine Zahl b, die größer ist als a, das Absolute Ende der Zahlen. Das würde eben nicht nur bedeuten, daß a+1=b funktionieren würde (jedoch würde mit der Zahl c, die um eins kleiner ist als a, c+1=a immer noch funktionieren). Mehr noch: Während 2*a/2 kein Problem darstellt, würde 2*(1+a/2) nicht mehr existieren. Das Spiel kann man weiterspielen und mir kommt es so vor als würde dann eigentlich, ohne die Gewissheit, daß es immer weitere Zahlen gibt, eigentlich unser ganzes Zahlensystem in sich zusammenbrechen.
Zum Dritten gibt es inzwischen Ausdrücke, bei denen das Unendliche real wird; tan(90°) beispielsweise. Das bedeutet auch, daß man sich das Konzept der Unendlichkeit durch eine Transformation als Zahl darstellen lassen kann (arcTan(inf)=90° bzw Pi/2). Was würde mit denen geschehen?
Ich finde es interessant darüber nachzudenken, was es alles für die Mathematik für folgen haben würde, würden wir den Gedanken des Unendlichen negieren - ich bin mir sicher, dem Leser fallen auch Dinge ein.
Ich habe weiter oben geschrieben, daß eine Motivation der Ultrafinitisten ist, die Mathematik vollkommen real zu erfassen und transzendentes wie die Vorstellung, daß es Unendlich geben würde, aus ihr zu entfernen. Ich finde es interessant zu sehen, wie diese Denkschule der Mathematik letztlich dem Atheismus ähnelt, sowohl in der Ablehnung als auch dem (mMn) falschen Verständnis der jeweiligen transzendenten Konzepte.
So, schließen wir mit einer letzten mathematischen Kuriosität. Müssen wir denn immer in den klassischen Zahlen denken? 1,2,3,4,5/2, 10^6, Pi, -3.5... was haben diese Zahlen alle gemeinsam? Sie befinden sich auf einem Zahlenstrahl. Gibt es noch andere Zahlen jenseits dieser Linie? You betcha.
Die komplexen Zahlen mögen den meisten bekannt sein, dabei ist die Zahl z =a+ib. Gerne steht dabei in Lehrbüchern, daß i=(-1)^0.5 ist. Negative Wurzeln kennen die klassischen Zahlensysteme nicht, denn für jedes Produkt einer negativen Zahl mit sich selbst gilt: (-b)^2=(-b)*(-b)=(-1)*b*(-1)*b=(-1)*(-1)*b*b=1*b*b=b^2 . Deshalb wird gesagt, daß i diese nicht existente Zahl wäre.
ACHTUNG: Nun kommt etwas, womit ihr wunderbar bei Lehrern oder ähnlichen smartassen könnt: Wenn wirklich i=(-1)^0.5 wäre, dann würde folgendes doch gültig sein:
-1 = i^2 = i*i = (-1)^0.5 * (-1)^0.5) = ((-1)*(-1))^0.5 = (1*1)^0.5 = 1
Was lernen wir daraus? Die "Zahl" i ist ähnlich wie unendlich keine Zahl im klassischen Sinne, sondern eine Idee. Sie ist die Idee, daß es jenseits des Zahlenstrahles dazu noch weitere Zahlen geben kann. Man hat dann keinen Zahlenstrahl mehr, sondern eine Zahlenebene, ein zweidimensionales Zahlensystem.
Da geht doch sicher noch was! Man kann letztlich über ein bestimmtes Verfahren (das so genannte Cayley-Dickson-Verfahren) höherdimensionale Zahlensysteme generieren. Dabei kann man aus den reellen Zahlen ein zweidimensionals Zahlensystem (die komplexen Zahlen), aus denen die Quaternionen (vierdimensional), aus denen die Octonionen (achtdimensional) und daraus die Sedenionen (sechzehndimensional) generieeren. das kann man natürlich weitermachen, daraus würden 2^n-dimensionale Systeme entstehen, aber bei den Sedenionen möchte ich noch kurz zum Abschluß der Reise durch die Zahlen verweilen.
Ihr kennt alle diese "divide by zero"-memes? "Hurr Durr, Durch null geteilt geht nicht". Well, chaps, not anymore! Nun könnt ihr noch mehr smartassen!
Fangen wir so rum an: Warum kann man nicht durch null teilen? Weil es kein Produkt ungleich null gibt, bei dem a*b = 0 ist (mit a!=0 und b!=0). Deshalb kann bei b/0 nichts sinnvolles herauskommen - bei klassischen Zahlen. Läßt sich das für die Sedenionen aufrecht erhalten?
Nein, dort gibt es Zahlenpaare, bei denen a,b!=0 sind, aber trotzdem bei a*b = 0 herauskommt. Klasse, oder?