
... daß es (wenn es nach mir geht) eine moderne Kirche, die so gar nicht unserem Schönheitsempfinden entspricht, in meine Promotionsdiskussion schaffen würde?
(ja, ich sollte eigentlich arbeiten...)
Die
Dio Padre Misericordioso in Rom mag uns nicht gefallen, aber sie ist vor allem eines: Strahlend weiß. Laut des Architekten und der Konstrukteure soll das auch so bleiben.
Warum?
Nun, in dem genutzten Beton sind
Titanoxid-Nanopartikel. Titanoxid hat sich schon als
Coating als selbstreiniges Produkt erwiesen: Organische Verunreinigungen werden unter UV-Bestrahlung in Kohlenstoff-dioxid und Wasser zerlegt. Auch Stickstoff- oder Schwefeloxide (Stoffe, die für Smog verantwortlich sind) werden unter UV-Bestrahlung in stabile Komponenten umgewandelt.
Nun fragt sich der Physiker, was der Grund für diese Photokatalyse ist. Nun, Titanoxid (unter Freunden einfach TiO2 genannt) ist ein Halbleiter, d.h. besitzt eine so genannte "Bandlücke". Das bedeutet, daß die Elektronen, simpel gesprochen, sich nicht so ohne weiteres durch das Material bewegen können (wie das bei Metallen der Fall ist). Dazu können wir ja mal kurz das Bändermodell erklären: Elektronen der äußeren Elektronenschalen der Atome/Moleküle, die einen Festkörper ausmachen, bilden insgesamt einen Bereich, den man als "Valenzband" bezeichnet (benannt nach den Valenzelektronen, d.h. den Elektronen der äußeren Schalen eines Atoms). Nun gibt es zustände "über" diesem Valenzband (d.h. auf einem höherem Energieniveau), die man als "Leitungsband" bezeichnet, bei Halbleitern und Isolatoren sind die durch eine Energielücke (die "Bandlücke") voneinander getrennt, die erstmal überwunden werden muß. Das kann man sich wie bei einem Doppeldecker-Bus vorstellen: Es gibt die Leute, die unten sitzen, und wenn man etwas mehr Energie ins Treppensteigen investiert, sitzt man oben, was natürlich wahnsinnig cool ist.
Der Doppeldecker ist ein tolles Bild, bleiben wir dabei: Sagen wir mal, unten ist es knüppeldicke voll und oben ist alles leer. Nun schwingt sich eine Person, erfrischt von den Sonnenstrahlen des Tages, die Treppe hoch. Wenn eine Person die Treppe nach oben geht, hat er oben alle Freiheit der Welt, und die Leute unten haben auch eine Person weniger. Das bedeutet, auch die können sich bewegen. Oder (HÖHÖ, PHYSIKER!): Die
Leerstelle, wo früher der Kerl, der nun oben ist, kann sich bewegen.
Die Obige Person wird sicherlich sich auf einen Stuhl setzen, höchstwahrscheinlich oben vorne. Das ist so eine der lieblingspositionen der Menschen, kann man doch dann zusehen, wohin die Reise geht. Die untere Leerstelle wird wahrscheinlich neben den rumorenden Motor irgendwo hinten "wandern", d.h. die Leute unten werden ihre neu gewonnene Freiheit nutzen, um möglichst viel Abstand zu diesem nervigen Motor aufzubauen.
So, und nun übertragen wir das alles mal auf den Mikrokosmos des TiO2: Ein Elektron, daß die Bandlücke überwunden hat (was es dank der Anregung durch ein Photon kann), wechselt vom vollen Valenz- ins leere Leitungsband. Unten, so sagt man, wurde ein "Loch" generiert (ein virtuelles Teilchen), daß sich von den anderen Elektronen dadurch unterscheidet, daß es nicht existiert. Oben ist das "angeregte" Elektron. Das Elektron kann sich durchs Leitungsband und respektive das Loch durchs Valenzband frei bewegen. Wie die Sitzplätze etc. im Bus gibt es für unsere beiden Ladungsträger präferierte Stellen, sogenannte "Defekte", an denen die energetische Struktur etwas anders ist. So kann an bestimmten "Punktdefekten" das Elektron gefangen werden (das ist dann der Platz oben vorne) und analog gibt es defekte, wo das Loch gerne verweilt (der Platz hinten beim Motor).
So weit so gut. Bleiben wir der Einfachheit halber mal beim Elektron: Da sitzt es nun, ein einzelnes Elektron. So ein Elektron ist ungern allein. Wie der Herrgott uns als Mann und Frau schuf, haben Elektronen einen "Eigendrehimpuls" (auch Spin genannt) von +1/2 oder -1/2. Man kann sich das wie eine positive oder negative Ladung vorstellen; Spins gleichen Vorzeichens stoßen sich ab und Spins entgegengesetzen ziehen sich an. Letztlich strebt jedes Elektron danach, "seine bessere Hälfte" zu finden. Und dieses Elektron ist da nun allein und will eine Bindung zu einem anderen eingehen. Man sagt dazu, daß es
hochreaktiv ist. Wenn nun organische Stoffe mit diesem Elektron in berührung kommen, reagieren sie mit ihm, es kommt zu einer Oberflächenchemie und zackbumm, man hat am Ende nur noch CO2 und Wasser.
Das ist ein Beispiel für
Photokatalyse auf Oxidoberflächen (Oxide als Stoffe mit einer Bandlücke), was, an einem Modellsystem (N2O - Zerlegung an Magnesiumoxid) letztlich Thema meiner Doktorarbeit war.
(
Weitere Informationen hier)
Auch wenn, wie gesagt, die Kirche mir nicht sonderlich gefällt, freut es mich zu sehen, daß hier wirklich moderne Technik mal sinnvoll genutzt wird. Der Architekt sagte "Licht ist Leben" und so wollte er eine strahlende Kirche entwickeln. Ich denke dabei an die Stadt auf dem Berg, die nicht verborgen bleiben kann. Das Christentum, das Licht der Welt, daß niemals verlöschen wird.
Daß diese Oberflächen auch gegenüber Schadstoff-Partikeln in Abgasen (eben Stickstoff- und Schwefeloxide) zerlegen, ist letztlich ein Symbol für das "Salz der Erde", für die kleinen Zentren, die positiv in der Welt wirken.
Wie gesagt, wie man auch zum extremst kargen interieur stehen mag, wo wirklich Verbesserungsbedarf herrscht, freut es mich doch, daß in einem Kirchenbau mal wieder modernstes verwendet wird. Und letztlich kann man das auch im Sinne der
aktuellen Los Wochos sehen: Wie Naturwissenschaft in Kunst wirken kann.