Na ja, ein bisschen (Kirchen)politik kann ich doch nicht lassen, aber es geht weniger um den Synodalen Weg als um ein Meta-Thema. Um ehrlich zu sein geht es um das Ereignis, was wir bald gemeinsam feiern: Die Geburt des Erlösers.
Auch wenn ich mit zurückwandernder Haarpracht immer mehr ein Trad werde (anderes Thema) stehe ich bei den ganzen Debatten zwischen traditionalistischen, modernistischen und konservativen Katholiken weiterhin außen. Man kann es auch über die Welt jenseits des Glaubens sagen: Ich kann mich mit keiner einzelnen Partei identifizieren.
Was mir fehlt? Etwas schwülstig gesagt: Die Freude, die Hoffnung und der Mut. Zumindest bei traditionalistisch und modernistisch beziehungsweise links und rechts sehe ich, dass zu oft Angst ein großer Motivator ist. Auf der einen Seite grübelt man, ob Franziskus der falsche Prophet ist, auf der anderen ob die Kirche gerade einen Rechtsruck durchmacht. Die jüngste Episode des Ententeichs geht gut auf das letztere ein: Weihnachtsbotschaften gehen über etwaige Rechtsrücke, über Klimawandel und was nicht sonst alles. Eigentlich ein thematisches Potpourri, wie man es häufig von Politikern und Medienschaffenden hört. Einen ähnlichen Eindruck hat man bei der „Gegenseite“: Während die rechte in der Politik von Geburtendjihad und Überfremdung sprechen sinnieren Tradis über gefälschte Botschaften von Fatima, über die St. Gallen-Mafia und über den Rauch Satans in der Kirche.
Die Konservativen nowadays bemühen sich gerne um eine „gesunde Mittelposition“, weder das eine noch das andere im Extrem - und wird damit zum eigenschaftslosen Pillemann, der in der Welt bald keine Rolle mehr spielen wird. Schlimmer als Batik und Brokat ist nur eins, der Bürokrat.
Warum das gebashe gegen Konservativismus, gegen eine gemäßigte Position in der Mitte? Weil die gemäßigte Mitte keine eigene Vision hat. Sie genügt sich in einem „weder-noch“ und ist damit satt geworden. Aaach, mir sagen die modernen nicht zu... aber ungefähr genau so schlimm sind die Tradis!
Das ist aber keine stabile Position, keine Vision für die Zukunft. Im besten Fall ist die viel gepriesene Mitte eine Fahne im Wind, im schlimmsten Fall irgendwann weg, weil mit jedem Windwechsel Menschen zu beiden „Extremseiten“ abwandern. Konservativismus nowadays ist progressivism with extra steps, um an dieser Stelle mal Rick & Morty zu channeln. Und bevor man auf die Papsttreue abhebt: Ja, Konservative rühmen sich der Papsttreue, was aber, entleert man sie der Tradition, auch nichts anderes als eine institutionaliserte Fahne im Wind ist.
„Weder-noch“ bringt nichts. Es erinnert an die „wir machen alles und wollen alle erreichen“ - Haltung, die sich in Geschäftsmodellen nicht gut funktionierender Mittelständler findet.
Insgesamt spricht das für ein eher trauriges Bild der Welt: die zwei Extrempositionen haben zwar eindeutige, aber pessimistische Positionen, während die „gemäßigte Mittelposition“ bei genauerem Hinsehen eine Art Apathie, die sich mit dem Gang der Welt zwar nicht abgefunden hat, aber auch in keine Richtung wirklich viel tun will. Viel wird, auch zu recht, mithilfe einer Slippery Slope Argumentation gesprochen, die jedoch was wichtiges auslässt. Nein, nicht was wichtiges, das einzig wichtige auf der Welt:
Gott ist mit uns. Ebenjener Gott ist nicht nur metaphorisch mit uns, er ist Mensch geworden, hat Fleisch angenommen von der Jungfrau Maria, hat gelitten, ist gekreuzigt und begraben worden. Er fuhr nieder in die Hölle, er erschien den Jüngern (und das ist mir jetzt eigentlich das wichtige) und sagte:
Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Gott ist Mensch geworden, damit wir ihm ähnlich werden. Das muss sich doch in einem Blick auf die Welt und der politischen Haltung niederschlagen! Und damit meine ich nicht einfach „sonntäglichen Kirchgang“ oder einen Gottesbezug in der Präambel. Aus dem Gedanken, dass der Herr uns berufen hat, das Land zu erben, dass er, der mit uns ist, uns aufforderte, vollkommen wie der Vater im Himnmel zu sein und das Evangelium bis an die Enden der Welt zu tragen... daraus sollte ein hoffnungsvoller, tatendurstiger Blick auf die Welt entstehen.
Hoffnungsvoll, weil wir den Urgrund der Hoffnung kennen. Wir können der Welt, die an so vielen Stellen in Angst verstrickt ist sagen, dass dies, sei es Rechtsruck, seien es kriminelle Ausländer, sei es der Klimawandel, was auch immer, nicht das Ende ist, denn Gott ist mit uns.
Aus diesem Optimismus kann ein wirklich eigenes Profil jenseits von rechts und links entstehen und ich denke, das braucht die Welt. Sicherlich ist es die Mischung aus Nerd und Proll, die ich nunmal bin, aber ich denke, dass dieses neue, wahrhaft christliche Profil, nicht deckungsgleich mit einem wie auch immer gelagerten Konservativismus nowadays ist. Ebensowenig links oder rechts.
Der Nerd in mir sieht in einer Liebe zum technologischen Fortschritt etwas, was zu diesem Optimismus passt. Wir sind Kinder Gottes, „macht euch die Erde untertan“ ist der erste Auftrag Gottes, den wir bekamen, noch vor dem Sündenfall. Und doch sehe ich in keinem ideologischen Lager in der Kirche eine wirkliche Begeisterung am technologischen Fortschritt, noch weniger eine aktive Mitentwicklung. Da treffen sich btw im Augenblick alle Lager in der Kirche: Technologischer Fortschritt ist etwas, worauf sowohl Batik als auch Brokat tragende Geistliche und der konservative Bürokrat nur mit einem erhobenen Zeigefinger antworten.
Ich denke, dass dieser genannte Punkt etwas wirklich eigenes wäre. Ein wahrlicher Weg der Mitte, der mutig in die Zukunft schreitet, der weiß, dass der technologische Fortschritt ("Macht euch die Erde untertan") zur Berufung des Menschen gehört, dass ein Bremsen des Fortschrittes, ein zurückkehren in irgendwelche Hobbit-Idyllen, der Berufung des Menschen eben nicht gerecht wird. Der aber auch über den letzten Zweck des Fortschrittes Bescheid weiß: Dass es sich damit um eine Antwort, um das Erfüllen unseres Auftrages handelt - nicht um das Posieren als kleiner Gott.
Der Prolet in mir vermisst etwas weiteres: Weder bei Modernisten, noch bei Konservativen oder Traditionalisten scheint der Prolet keinen Platz zu haben. Alle Seiten sind überintellektualisiert, können anscheinend nur entweder Mozart oder NGL hören. Diese überintellektualisierte Haltung, die zum Teil dazu führt, dass man sich bei Geschwistern des Glaubens wie unter H.G. Wells' Eloi fühlt, führt zu überintellektualisierten Antworten auf Soziale Fragen, die sich zu gerne in weltfremden Ideen oder in Allgemeinplätzen niederschlägt. Aus dem Kerngedanke, dass Gott mit uns ist, sollte eine eindeutige Antwort auf die soziale Frage entwachsen. Leo XIII machte es vor, die Distributisten, wenngleich sie sich gerne in irgendwelchen Auenland-artigen Träumen zurückziehen, haben das erkannt. Wir müssen wieder aktiv für eine soziale Poltik eintreten.
Ja, ich denke, dass eine Kirche, die diese beiden Extreme wieder für sich entdeckt, bzw eine kirchliche Bewegung, die weder modernistisch noch traditionalistisch sein muss, aber obige Punkte erfüllt, tatsächlich der Kirche und der Welt etwas bieten kann.
Das lässt sich auch auf die christlichen Konservativen in der Politik übertragen: Wir brauchen in der heutigen Parteienlandschaft mal wieder drei Schwerpunkte: einen radikal christlichen, einen radikal technologischen und einen radikal proletarischen. Schauen wir uns in der Open Source-Welt, gerade mit ihren Makerspaces um sehen wir, dass es durchaus das technologische Grundgerüst für eine derartige Bewegung gibt, für einen Distributismus des 21. Jahrhunderts.
Und mit Christus, dessen Geburt wir heute abend gedenken, haben wir einen starken Mitstreiter, wir haben Immanuel, Gott ist mit uns! Gibt also keinen Grund zur Sorge, sondern zur Hoffnung und zum Zupacken!
Euch, wenn es so weit ist, eine besinnliche Weihnacht und eine gesegnete Weihnachtszeit!