Zum Dreifaltigkeitssonntag bietet es sich an, etwas über die Dreifaltigkeit nachzudenken. Oft wird betont, dass man die Dreifaltigkeit nicht verstehen, sondern nur darüber staunen kann. Keine Frage, dies ist so. Für den suchenden Geist ist jedoch über etwas staunen und über etwas nachdenken eins. Und so wie es die Menschen von Anbeginn des Christentums getan haben und über das Geheimnis der Dreifaltigkeit meditiert haben lädt der Dreifaltigkeitssonntag auch heute dazu ein, über die Natur Gottes nachzudenken. Gibt es Bilder im Universum, in welchen die Dreifaltigkeit ihr Kunstwerk unterzeichnete? Was könnte man aus diesen Bildern über Gott lernen? Und kann uns dies auch helfen, etwas über uns selbst zu erfahren?
(Fun fact nebenbei: Dies ist der dritte Artikel des Jahres 2022!)
Das Dreikörperproblem - der Anfang aller Komplexität
Aktuell lese ich die Trisolaris-Trilogie vom chinesischen Schriftsteller Liu Cixin. Eine sehr spannende, vielschichtige Science-Fiction-Geschichte, in welcher eine Welt mit drei Sonnen eine Rolle spielt.
Drei Sonnen... dem Physiker fallen dabei natürlich gleich drei Massen auf. Das Dreikörperproblem ist, um es etwas wirr auszudrücken, wohl das einfachste der schweren Probleme. Zwei Körper, die sich gegenseitig anziehen, wie beispielsweise die Sonne und die Erde, sind ein einfaches System, welches immer analytisch lösbar ist. Das bedeutet, dass man mithilfe von simplen Formeln dieses System beschreiben und den zukünftigen Verlauf vorhersagen kann.
Mit einem dritten Körper wird dies schwieriger. Eine wirklich einfache analytische Lösung in der Form existiert nicht (zumindest nicht für alle Anfangskonditionen). Natürlich kann man ein Dreikörperproblem simulieren, aber mit einfachsten Formeln ist es nicht zu beschreiben. Es handelt sich, um einen Begriff von Stephen Wolfram zu nutzen, um ein irreduzibel komplexes Problem.
Auch wenn Physiker - und Physikstudenten - sich darüber die Haare raufen könnten, ist es doch eine schöne Sache. Wir können sagen, dass mit drei Massen Komplexität anfängt. Dynamik, komplexere Harmonien und unvorhersehbares Verhalten - all das ist mit drei Massen schon möglich.
Liu Cixin drückt dies in dem ersten Roman "die drei Sonnen" sehr schön aus:
“I then introduced a third sphere, and to my astonishment, the situation changed completely. Like I said, any geometric figure turns into numbers in the depths of my mind. The sphereless, one-sphere, and two-sphere universes all showed up as a single equation or a few equations, like a few lonesome leaves in late fall. But this third sphere gave “emptiness” life. The three spheres, given initial movements, went through complex, seemingly never-repeating movements. The descriptive equations rained down in a thunderstorm without end.”
Die Dreifaltigkeit - die Dynamik innerhalb des Allmächtigen
Uns Christen muss bei derartigen Worten sofort eines der zentralen Geheimnisse unseres Glaubens auffallen. Gott-Vater allein wäre sicherlich weiterhin Gott - aber eine Monade. Auch mit einer einfachen zweier-Beziehung wäre ggf. bestenfalls eine Art Dualismus geschaffen worden. Sicherlich, sofern die hier postulierte "Zweifaltigkeit" auch eines Wesens wäre, ein Dualismus der Liebe, aber dennoch eine einfache Beziehung. "Ich schau ihn an und er schaut mich an" ist eine wunderschöne Beschreibung kontemplativen Gebets, drückt jedoch eben jene fehlende Dynamik aus.
Auch unter Berücksichtigung von uns Menschen ändert sich an dieser Dynamik wenig. Wie ein kleiner Asteroid allein wenig an einer ruhenden Sonnenmasse ändern könnte, wie Sputnik das System zwischen Erde und Mond nicht beeinflusste wird das Geschöpf den Allmächtigen nicht kontrollieren können.
Durch den Heiligen Geist jedoch, der nun aus dieser Liebe zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn entstanden ist, entstand auch eine komplexe Dynamik. Wie das Dreikörperproblem für uns nicht analytisch lösbar ist können wir noch weniger die Dynamik zwischen den drei Personen Gottes vollends erfassen. Das Bild der drei Sonnen zeigt uns, wie drei Körper, selbst wenn sie gleiche Masse haben, sich mit einer irreduziblen Komplexität bewegen.
Diese drei Personen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist, stehen in einem ständigen Dialog, einer ständigen, von Liebe getragenen Wechselwirkung und Dynamik miteinander, einer so großen Liebe, dass Gott sie in einer Schöpfung noch mehr Geschöpfen angedeihen werden lassen wollte.
Die Dreifaltigkeit - der Ursprung der Ämter Christi
Wir haben neben der Dreifaltigkeit eine weitere "Dreiheit" in unserem Glauben, nämlich bezüglich der Ämter, die Christus innehatte - und an denen wir im Heiligen Geist Anteil haben dürfen. Christus ist Prophet, Priester und König. Das königliche Amt ist mit dem Vater, das priesterliche Amt mit dem Sohn, das prophetische Amt mit dem Heiligen Geist verbunden.
Hier kann man den Bogen zum Artikel von vor ein paar Monaten spannen: Die Gesellschaft benötigt dieses Dreiergespann der Ämter Christi wieder. Als Wesen, die nach seinem Bilde geschaffen sind, ist diese Dynamik der Dreifaltigkeit in unser tiefstes Wesen eingeprägt. Eine Gesellschaft, welche sowohl stabil sein möchte als auch florieren will, muss sich an die Rollen von Prophet, Priester und König erinnern - und versuchen sie wieder zu etablieren.