Donnerstag, April 16, 2020

Wie ein Dieb in der Nacht – Gedanken zu Corona

Jessas! Ich wollte tief in der Fastenzeit was zu Corona schreiben, kam jedoch nie dazu. Aber jetzt :D

„The revolution will be carbonated“ titelt das Debutalbum von Sister Surge, einem eher unbekannten Vaporwave-Projekt von 2013. Sowohl das Album als auch das Genre Vaporwave liefert eigentlich gute Stichwörter.

Vaporwave ist an sich ein kapitalismuskritische Musikrichtung. Anders als Punk oder Hardcore lärmt sie jedoch nicht, sie... plätschert vor sich hin. Viele Vaporwave-Stücke sind  leicht heruntergepitchte alte Popsongs, die noch mit Effekten versehen sind. Nichts außergewöhnliches, eigentlich, wie der Name sagt, nicht viel mehr als heiße Luft.

Und doch ist die Musik sozialkritischer als der Punk oder Hardcore. Oder einen Schritt weiter. Wie gesagt, es ist eine Kritik am late-stage-capitalism. Es wird jedoch nicht protestiert, sondern eher die Banalität der Wegwerf-Kultur zelebriert. Ähnlich wie im Accelerationismus ist der Gedanke, dass der Raubtier-Kapitalismus am Ende sich selbst ad absurdum führt.

Bevor man mir hier kommunistisches Gedankengut unterstellt: Ähnlich hat der Distributist Hilaire Belloc über den Kapitalismus in "the servile state" geschrieben. Der Kapitalismus ist, wie der Kommunismus, ein instabiles System, was nicht aus sich heraus leben kann. Und damit zum Scheitern verurteilt ist.

Doch zurück zur Musik und damit auch bald zum eigentlichen Thema. Das faszinierende an Vaporwave ist die Ruhe, mit der gegen das bestehende System musiziert wird, gegen den Verfall ins Absurde.

The revolution will be carbonated: Sie wird normal sein. Nicht laut, nicht blutig, sondern so banal wie ein Sodadrink mit Kohlensäure. Gott offenbarte sich im Säuseln und nicht im Donner. Und das Gericht kommt wie ein Dieb in der Nacht.

"wie ein Dieb in der Nacht" - ich habe früher die beschreibung immer unheimlich gefunden, doch denke ich jetzt anders darüber. "in der Nacht" ist die Zeit, in der ich gemütlich im Bett liege, hoffentlich nicht schnarche und hoffentlich angenehme Träume habe. Es ist eine angenehme Zeit, aber auch wieder vor allem eines: nichts besonderes.

Nun sitzen wir alle in Quarantäne. Deutschland verbot den Messbesuch, wie auch viele andere Länder. Extrovertierte werden in dieser Isolationshaft wahnsinnig. Die häusliche Gewalt steigt an, die Selbstmordrate wird vielleicht auch bald ansteigen. Die Weltwirtschaft steht vor einer großen Krise. Die Welt ist im Bann von Covid-19. Eine Pandemie legt die Welt lahm.

Das alles klingt wie aus einem düsteren, dystopischen Thriller, eigentlich wie eine Beschreibung der Apokalypse. Ich würde gerne in die Vergangenheit reisen und mich selbst fragen, wie ich eine Zeit nennen würde, die folgende Eigenschaften hat:

- Ein Virus ohne Impfstoff oder wirksame Medizin macht die Runde
- Die Weltwirtschaft steht vor einem Kollaps
- Die halbe Welt steht unter Hausarrest
- Die Kirchen stehen per Dekret der Regierenden leer

Ich bin mir sicher, dass ich diese Situation für die Apokalypse halten würde. Was bedeutet das aber für den Alltag vieler? Ich hocke hier, mit einem über die letzten Wochen gewachsenen Bart (der zu Ostern korrekturgestutzt wurde), hab die Beine auf der Couch und den Lappi auf dem Schoß. Ich hätte niemals gedacht, dass ich die Apokalypse in Jogginghose erleben würde.

Für viele, auch für jene, die darunter deutlich mehr als ich leiden, ist das schlimme an der Corona-Krise die Banalität. Und doch passt es zum Wirken Gottes.

Was ist der Grund für diese große Krise? Ist es eine Strafe Gottes? Ist es die Natur, die sich rächt? Ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß: Unser Herr ist ein Gott, der so etwas tut. Wir wissen nicht genau, warum, aber das Negative in der Welt gehört zu Gottes Plan.

Was machen wir also daraus? Oder weniger predigerhaft: Was mach ich daraus? Ich versuche, die Situation zu nutzen. Mich ärgert gerade, dass ich das Morgengebet die letzten Tage verpennt habe, das muss ich wieder nachholen. Ich werde weiter via Streams oder wenigstens über das Lesen der Messtexte eine kleine Kapelle in meinem Schlafzimmer haben. Vom weltlichen her werde ich Sport machen, auf meine Ernährung achten und mich weiterbilden - soweit es meine Arbeit erlaubt.

Kurz: mit Blick auf den Herrn weitermachen. Wachen und beten und so den Dieb in der Nacht, die Grausamkeit der aktuellen Banalität weiter beobachten.